Neues Projekt: Interaktive Erinnerungen an die Colonia Dignidad
News vom 19.12.2024
Das Lateinamerika-Institut und die Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin kooperieren mit dem Museo de Memoria y Derechos Humanos (MMDH) in Santiago de Chile, um die Erinnerung an die ehemalige Colonia Dignidad in einer interaktiven Medienstation sichtbar zu machen und zur Aufarbeitung der dort begangenen Verbrechen beizutragen. Das Projekt basiert auf der Interviewsammlung „Colonia Dignidad. Ein chilenisch-deutsches Oral History-Archiv“ (CDOH) mit Video-Interviews von Zeitzeug:innen.
Stefan Rinke, Professor für lateinamerikanische Geschichte und Projektleiter, erklärt: „Das neue Vorhaben ‚Interaktive Erinnerungen an die Colonia Dignidad´ baut auf dem Oral Hisory-Projekt CDOH auf, das seit 2019 eine Vielzahl an Interviews zur Aufarbeitung eines schmerzlichen Kapitels geteilter Geschichte Deutschlands und Chiles in einem öffentlich zugänglichen Interview-Archiv bereitstellt. Nun werden die Erinnerungen der Zeitzeugen einer noch breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Museo de la Memoria y de DDHH in Santiago de Chile ist der geeignete Ort, um dieses wichtige Thema stärker in das Bewusstsein zu rücken und so zur Aufarbeitung der Verbrechen der so genannten Colonia Dignidad beizutragen. Der Schutz der Menschenrechte wird heute mancherorts wieder in Frage gestellt. Die Verbrechen der Colonia Dignidad zeigen, wohin eine solche Haltung führen kann.“
Das Projekt hat im Oktober diesen Jahres begonnen und soll bis September 2027 laufen. Eines der wichtigsten Ergebnisse wird die Medienstation als Teil der Dauerausstellung des Museums für Erinnerung und Menschenrechte sein. In diesem Zusammenhang sagt María Fernanda García, die Direktorin des Museums: „Es ist sehr wichtig für das Museum, Teil der symbolischen Wiedergutmachung für diesen so komplexen Ort zu sein, der verschiedene Dimensionen und Zeiten betrifft und der vor, während und nach der Pinochet-Diktatur Opfer hinterlassen hat. Uns mit dieser noch immer klaffenden Wunde auseinanderzusetzen, ist essenziell.“
Die Gesamtkoordination liegt bei der Psychologin und Historikerin Evelyn Hevia Jordán: „Dieses Projekt und das Oral-History-Archiv zielen darauf ab, die Vergangenheit, die immer noch sehr lebendig ist, zu begreifen und sichtbar zu machen. Die Verantwortung für dieses Thema verbindet Chile und Deutschland. Mit der Medienstation und der Ausstellung wollen wir die akademischen und zivilgesellschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden Ländern vertiefen. Wir hoffen, damit zu einem respektvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit dem Thema und seiner historischen und kulturellen Aufarbeitung beizutragen; denn noch immer sind viele Fragen ungeklärt“.
Seit Anfang 2024 hat das Museo de la Memoria auch das Archiv der Karteikarten des in der Colonia Dignidad geführten Geheimarchivs „Fichas de Colonia Dignidad” in seine Sammlungen aufgenommen und das CDOH-Archiv eingebunden. In Bezug auf die Bedeutung von Archiven und historischen Quellen für die Forschung und das Wissen über dieses Thema betont María Luisa Ortiz, Leiterin der Sammlungen des Museums, dass „für die Aufarbeitung der schmerzhaften Vergangenheit und ihrer bis in die Gegenwart reichenden Folgen ein demokratischer und offener Zugang zu den Quellen notwendig ist, der es uns ermöglicht, diese Geschehnisse zu begreifen und kritisch zu reflektieren. Dieses Projekt ist sehr wichtig für die chilenische Gesellschaft, damit sie die notwendige Diskussion über die Colonia Dignidad aufnehmen kann“.
Das Team der Digitalen Interviewsammlungen an der Universitätsbibliothek betreut das CDOH-Archiv und berät das Vorhaben. Dorothee Wein erklärt: „viele der Zeitzeug:innen haben betont, dass es ihren wichtig ist, dass ihre Erinnerungen genutzt werden, damit sich Ähnliches in der Zukunft nicht wiederholen kann. Die interaktive Medieninstallation soll einen Beitrag dazu leisten.“
Das Projekt wird vom Auswärtigen Amt gefördert. 2017 haben Chile und Deutschland ein gemeinsames Memorandum unterzeichnet und eine Gemischte Kommission gegründet, die sich mit der historischen Aufarbeitung der Colonia Dignidad beschäftigt. Das Auswärtige Amt betrachtet das Projekt als wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der Colonia Dignidad und dem Gedenken an ihre Opfer. Erwartet werden auch weitere Fortschritte bei der Erarbeitung von öffentlich nutzbaren Inhalten zu diesem Thema. Im Rahmen der von Präsident Gabriel Boric angekündigten Einrichtung einer zukünftigen Gedenkstätte in der ehemaligen Colonia Dignidad haben sich die für diese Kooperation verantwortlichen Institutionen darauf geeinigt, dass sowohl die Medienstation als auch die temporäre Ausstellung und deren Inhalte einer zukünftigen Gedenkstätte in der ehemaligen Colonia Dignidad zur Verfügung gestellt werden sollen.
Santiago/Berlin, 10.12.2024
Info:
Projekt: Interaktive Erinnerungen an die Colonia Dignidad. Eine chilenisch-deutsche Kooperation zur historischen und kulturellen Aufarbeitung (iECD)
Kontakt:
Evelyn Hevia Jordán (Freie Universität Berlin)
e.hevia.jordan@fu-berlin.de
www.cdoh.net
Francisca Dávalos Bachelet (Museum für Erinnerung und Menschenrechte)
fdavalos@mmdh.cl
www.mmdh.cl